Kunst - Fest - Kanon. |
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InhaltsverzeichnisEinleitung Festkultur und Gemeindebildung Herfried Münkler: Fest-Kulturen. Politische Gemeinschaftserfahrung und gesellschaftliche Entwicklung Andreas Dörner: Virtuelle Vergemeinschaftung. Integrationspotentiale in der medialen Erlebnisgesellschaft Fest-Spiele und Revolutionsidee Peter Schröder: Zum politischen Gehalt von Schillers Ästhetik im Kontext von Aufklärung und Revolution Udo Bermbach: Bayreuther Festspiele. Idee und Realisierungsaspekte Stefanie von Schnurbein: Religiöse Ikonographie - religiöse Mission. Das völkische Weihespiel um 1910 Wolfgang Kraushaar: »Die Kräfte des Rausches für die Revolution gewinnen«. Die antiautoritäre Bewegung als Fest Oeuvre und Kanon John Deathridge: Symphonische Meisterschaft oder ethische Anarchie? Überlegungen zu Richard Wagners sämtlichen Werken Lydia Goehr: Im Schatten des Kanons Norbert Miller: Der verlorene Schatten und die Schatten des Parnaß. Zur künstlerischen Kanonbildung in der Musik Personenregister
Zusammenfassung des InhaltsMit diesem dritten Band kommt eine Reihe von Buchpublikationen zum
Abschluß, die aus einer auf fünf Jahre angelegten Folge von
Symposien an der Staatsoper Unter den Linden Berlin hervorgegangen und
bislang durch die Bände Deutsche Meister - böse Geister?
Nationale Selbstfindung in der Musik (2001) und Zukunftsbilder.
Richard Wagners Revolution und ihre Folgen in Kunst und Politik
(2002) dokumentiert worden ist. In den Jahren von 1998 bis 2002 fand
das Internationale Wissenschaftliche Symposium im Rahmen der Festtage
der Staatsoper während der Karwoche statt. Entsprechend deren
Planung haben der Generaldirektor der Staatsoper, Daniel Barenboim,
und ihr damaliger Intendant, Georg Quander, im Laufe der Jahre ein
Repertoire an Wagner-Opern aufgebaut, das es der Staatsoper ermöglichte,
im Jahre 2002 zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten Wagners
Gesamtwerk im Sinne des vom Autor selbst sanktionierten »Dekalogs«
vom Fliegenden Holländer bis Parsifal in zwei
Zyklen aufzuführen. In Teil I (»Festkultur und Gemeindebildung«) werden die gesellschaftsbildenden Faktoren untersucht, die sich in »Fest-Kulturen« und der »virtuellen Vergemeinschaftung« der Massenmedien manifestieren. Das im Teil III (»Oeuvre und Kanon«) dann ausführlicher behandelte Problem, daß Inklusion nur um den Preis begleitender Exklusion zu haben ist, wird hier in gesellschaftspolitischer Hinsicht sichtbar: Offenkundig erfolgt Gemeindebildung um so erfolgreicher, je stärker sie auf dem Ausschluß der nicht zur Gemeinde Gehörigen beruht. Dabei können die Ein- und Ausschlußkriterien recht unterschiedlicher Art sein; sie reichen von familialer Bindung über wirtschaftliche Potenz bis zu politischer Zugehörigkeit. Aber welches auch immer das Kriterium für Inklusion und Exklusion sein mag - Gemeindebildung ohne Ausschluß ist nicht möglich, und das Fest ist nicht selten die rituelle, sich in rhythmischer Wiederholung bestätigende Zelebration von Einschluß und Ausschluß. Die vier Studien von Teil II (»Fest-Spiele und Revolutionsidee«) zeigen, wie sehr Ideen einer Ästhetik des Spiels und des Festes mit Umwertung und Umwälzung verknüpft sind - sei es, daß Feste im Sinne der römischen Saturnalien oder des späteren Karnevals, wie Freud und Bachtin dies beschrieben haben, bestehende Ordnungen temporär umkehren und üblicherweise geltende Regeln zeitweilig außer Kraft setzen, um so ihre Akzeptanz im Alltag zu sichern, oder sei es, daß im Zusammenhang mit Revolutionen - wie insbesondere an der Französischen Revolution ersichtlich wird - die Inszenierung von Festen die affektive und geistige Identifikation der Bevölkerung mit den erlassenen Neuordnungen befestigen soll, indem sie bislang geltende Feste - zum Beispiel christliche - ersetzt. Umstritten bleibt unter den Autoren dabei die Frage, ob das Fest als Inszenierung von Ordnung (Herfried Münkler) oder als Freisetzung von Ordnung (Wolfgang Kraushaar) verstanden werden soll: Münkler unterscheidet im gegebenen Zusammenhang denn auch nicht zwischen Fest und Feier, während Kraushaar Fest und Feier im Sinne von Oppositionsbegriffen auseinanderhält, indem er die Feier als Stiftung von Ordnung, das Fest dagegen als Befreiung von Ordnung interpretiert. In Teil III (»Oeuvre und Kanon«) werden Fragen der
Oeuvregenese und -bewertung so erörtert, daß in den drei
Beiträgen noch einmal wesentliche Facetten der in den
Staatsopernsymposien der Jahre 1998 bis 2002 diskutierten
Problemkreise aufscheinen. Hanslicks spöttische Bemerkung, bei
den zehn von Wagner sanktionierten Bühnenwerken handle es sich um
die »zehn Gebote der modernen Kunst«, evoziert die
kanonische Bedeutung eines Oeuvres, die durch Inklusion der ausgewählten
und Exklusion der ausgeschlossenen Werke - der frühen Bühnenwerke
bis und mit Rienzi wie aller Werke aus nicht-dramatischen
Musikgattungen - zustande kommt. Zweifellos ist die Oeuvre-Idee bei
großen Künstlern und Autoren eine grundlegende Kategorie,
denn es macht einen wichtigen Unterschied aus, ob einzelne Werke für
sich beziehungsweise nur in fragmentiertem Zusammenhang stehen oder ob
sie einen Ort innerhalb eines Gesamtschaffens markieren. Da indessen
die kulturelle Bedeutung von Oeuvres, zumal wenn sie eine
Repertoire-Grundlage von Festspielen bilden, auch aus
Machtentscheidungen resultiert, ist der Streit um In- und Exklusion,
um die Legitimität eines Kanons und um dessen Revidierbarkeit
notwendig. Die Frage, was alles zu einem Kanon gehört, stellt
sich im Lichte seiner unterschiedlichen Funktionen höchst gegensätzlich
dar. Die Avantgarde etwa hatte lange Zeit eine Polemik gegen die
Traditionen jedweden Kanons als ihre zentrale Aufgabe erachtet, doch
mittlerweile hat sie - wie die Oeuvres von Duchamps und Cage zeigen -
selbst eine Kanonbildung eigener Art hervorgebracht. So bilden die
Beiträge dieses letzten Teils eine je besondere Kritik an der
Kanonkategorie aus.
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